580 S., ISBN 978-3-89427-707-9

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Sri Aurobindo

Essays über die Gita

Geschrieben in den Jahren 1921-1928, sind die "Essays" von so überaus nachhaltiger Wirkung, weil Sri Aurobindo den göttlichen dreifachen Yoga durch schicksalhafte Fügung zu seinem eigenen, dem integralen Yoga gemacht hat. Dieser Weg und die hieraus resultierenden Erfahrungen sind es, die seinen Werken zugrundeliegen. - Yoga in Ost und West

Das philosophische System der Gita, ihre Darstellung der Wahrheit, ist nicht jener vitalste, tiefste und ewig beständige Teil ihrer Lehre. Doch ist das meiste Material, aus dem das System zusammengesetzt ist, nämlich die hauptsächlichen überzeugenden und eindringlichen Ideen, die in ihre komplexe Harmonie eingewoben sind, ewig wertvoll und gültig. Sind sie doch nicht nur lichtvolle Gedanken oder überraschende Spekulationen eines philosophischen Intellekts, vielmehr bleibende Wahrheiten spiritueller Erfahrung, als wahr erweisbare Tatsachen unserer höchsten psychologischen Möglichkeiten, die niemand unbeachtet lassen kann, der versucht, das Geheimnis des Seins in seiner Tiefe zu verstehen. Sei das System, was es wolle; sicherlich ist es nicht, wie die Kommentatoren es darzustellen sich bemühen, abgefaßt oder bewußt angelegt, um ausschließlich eine bestimmte Schule philosophischen Denkens zu bestätigen oder um die Ansprüche einer bestimmten Form von Yoga mit Nachdruck vorzutragen. Die Sprache der Gita, ihre Denkstruktur, die Art, wie sie die Gedanken kombiniert und miteinander ausgleicht, passen weder zum Temperament eines sektiererischen Lehrers noch zum Geist einer streng analytischen Dialektik, die einen Gesichtswinkel der Wahrheit herausschneidet, um dann alle anderen auszuschließen. Vielmehr bewegen sich hier die Gedanken in einem weiten, die Wahrheit mit seinen Wogen umkreisenden Fluß, der ein grenzenloses synthetisches mentales Bewußtsein und eine reiche synthetische Erfahrung offenbart. Die Gita ist eines jener großen synthetischen Werke, an denen indische Spiritualität ebenso reich ist wie an der Schöpfung stark wirkender, vornehmer Bewegungen der Erkenntnis und religiösen Verwirklichung, die mit absoluter Konzentration eine einzige Grundlinie, einen Pfad bis hin zu seinen äußersten Ergebnissen verfolgen. Sie spaltet nicht, sie versöhnt und eint . . .

Die Gita ist keine Waffe für dialektische Kriegsführung. Sie ist ein Tor, das Zugang zur ganzen Welt spiritueller Wahrheit und Erfahrung verschafft. Der Überblick, den sie uns gewährt, umfaßt alle Gebiete dieser erhabenen Region. Sie stellt sie "kartographisch" dar, aber sie zerschneidet sie nicht durch Mauern oder Zäune, die unsere Schau begrenzen . . .

Eine neue, weithin umfassende Harmonisierung all unserer Gewinne ist sowohl intellektuell wie spirituell notwendig für die Zukunft. Aber genauso, wie die bisherigen Synthesen die ihnen vorausgegangenen zu ihrem Ausgangspunkt nahmen, so muß auch die Synthese der Zukunft, wenn sie auf festem Grund weitergedeihen will, von dem aus fortschreiten, was die großen Gestaltungen spirituellen Denkens und spiritueller Erfahrung in der Vergangenheit gegeben haben. Unter diesen Gestaltungen nimmt die Gita einen höchst wichtigen Platz ein.

Wenn wir die Gita studieren, wird demnach unser Ziel nicht eine scholastische oder akademische Erforschung ihres Denkens sein, auch nicht die Einordnung ihrer Philosophie in die Geschichte der metaphysischen Spekulation. Auch werden wir mit ihr nicht auf die Art des analytischen Dialektikers umgehen. Wir nahen uns ihr, um von ihr Hilfe und Licht zu empfangen. Unsere Absicht muß sein, ihre wesentliche und lebendige Botschaft, also das in ihr zu unterscheiden, was sich die Menschheit für ihre Vervollkommnung und für ihr höchstes spirituelles Wohlergehen zu eigen machen muß. - Sri Aurobindo


120 Seiten, ISBN 978-3-89427-708-6

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Bhagavadgita

Basierend auf Sri Aurobindo's englischer Übersetzung.

Auszug:

XVI. Yoga der Unterscheidung von göttlicher und ungöttlicher Art

(Deva und Asura)

1.-3. Der Erhabene sprach:
Dies sind die Reichtümer des Menschen, der in die göttliche Art hineingeboren wurde: Furchtlosigkeit, Läuterung des Temperaments, Beständigkeit im Yoga der Erkenntnis, Spenden, Selbstbeherrschung, Opferbereitschaft, das Studium der Schriften, Askese, Aufrichtigkeit und Geradheit, Nichtschädigung anderer, Wahrhaftigkeit, Freisein von Zorn, Selbstverleugnung, Stillesein, Freisein vom Suchen nach Kritik, Mitleid mit allen Wesen, Nichthabgierig-Sein, Güte, Bescheidenheit, Freisein von Ruhelosigkeit, Kraftvoll-Sein, Bereitsein zum Vergeben, Reinheit, Freisein von Neid und Stolz.

4. Und dies, o Partha, ist der Besitz des Menschen, der in die asurische Natur hineingeboren wurde: Hochmut, Anmaßung, maßloser Eigendünkel, Zorn, Hartherzigkeit und Unwissenheit.

5. Die Deva-Eigenschaften führen zur Befreiung, die Asura-Eigenschaften zur Gebundenheit. Sei unbesorgt, o Pandava, du bist in die Deva-Natur hineingeboren.

6. Es gibt zwei Arten von Geschöpfen in dieser materiellen Welt: die von der Art der Devas und die von der Art der Asuras. Die Deva-Art habe ich dir ausführlich beschrieben. Höre nun, o Partha, auch über die Asura-Art. 7. Die asurischen Menschen haben kein wahres Wissen über den Weg des Handelns oder über den Weg der Enthaltung. In ihnen ist keine Wahrheit, kein reines Handeln und keine gläubige Einhaltung der Regeln.

8. "Die Welt ist ohne Gott", sagen sie, "sie ist nicht wirklich, nicht auf die Wahrheit gegründet, zustandegekommen durch wechselseitige Vereinigung, mit Verlangen als einziger Ursache, eine Welt des Zufalls."

9. Die asurischen Menschen stützen sich auf diese Weltanschauung. Durch deren Unwahrheit zerstören sie ihre Seelen und ihre Vernunft und werden sie zum Mittelpunkt oder Werkzeug einer wilden, titanischen, gewalttätigen Aktion, eine Macht der Zerstörung in der Welt, eine Quelle der Rechtsverletzung und des Bösen.

10. Ihrer unersättlichen Begierde frönend, anmaßend, überheblich und trunken vor Hochmut, betören sich diese fehlgeleiteten Seelen selbst, beharren sie auf ihren falschen und eigensinnigen Zielen und verfolgen stur den unreinen Entschluß ihres Verlangens.

11. Sie bilden sich ein, Begierde und Genuß seien das einzige Ziel des Lebens, und sind (in ihrem unbeherrschten und unersättlichen Jagen nach diesem Ziel) bis zum Augenblick ihres Todes die Beute verzehrender, maßlos zunehmender Sorge und Gedanken, Anstrengung und Angst.

12.-15. Durch hundert Fesseln gebunden, von Zorn und Lust verzehrt, unermüdlich davon besessen, ungerechte Gewinne anzuhäufen, die ihrem Lebensgenuß und der Befriedigung ihrer Begierde dienen sollen, haben sie immer nur den einen Gedanken: "Heute habe ich diesen Gegenstand, den ich begehrte, gewonnen; morgen werde ich jenen anderen haben. Heute besitze ich soviel Reichtum; morgen werde ich noch mehr bekommen. Diesen meiner Feinde habe ich umgebracht; die übrigen werde ich auch noch umbringen. Ich bin der Herr und König der Menschen. Ich bin vollkommen, tadellos, stark, glücklich, erfolgreich. Ich habe das Privileg, die Welt zu genießen. Reich bin ich und von hoher Geburt. Wer kommt mir gleich? Ich werde opfern, spenden, genießen."

16. Derart besessen von vielen ichhaften Gedanken, Illusionen hingegeben und der Befriedigung des Verlangens zugetan (verrichten sie Werke, aber auf falsche Weise, sind sie ungemein aktiv, aber nur für sich selbst, ihre Begierde und ihren Genuß, nicht für Gott in ihrem eigenen Innern und Gott im Menschen), stürzen sie hinab in die unreine Hölle ihres eigenen Übels.

17. Sie opfern und spenden nicht nach der rechten Ordnung, sondern aus ichsüchtiger Prahlerei, aus Eitelkeit und mit unverschämtem und törichtem Stolz.

18. Im Egoismus ihrer Stärke und Macht, in der Gewalttätigkeit ihres Zorns und ihrer Anmaßung hassen, verachten und schmähen sie Gott, der verborgen in ihnen wohnt, und Gott im Menschen.

19. Diese hochmütigen Hasser (des Guten und Gottes), diese Bösen, Grausamen, Gemeinsten unter den Menschen in der Welt, schleudere Ich ständig wieder hinunter in immer mehr asurische Geburten.

20. In asurische Schöße geworfen, von Geburt zu Geburt irregeführt, finden sie Mich nicht (da sie nicht nach Mir suchen) und sinken in den niedrigsten Zustand der Seele hinab.

21. Dreifach sind die Tore zur Hölle: Verlangen, Zorn und Habgier, die Zerstörer der Seele. Darum soll sich der Mensch von ihnen lossagen.

22. Frei geworden von diesen Pforten der Finsternis, o Sohn der Kunti, begibt sich der Mensch auf den Weg zu seinem eigenen höheren Wohl und gelangt zum höchsten Zustand der Seele.

23. Wer die Gebote des Shastras verworfen hat und den Verführungen des Verlangens folgt, erlangt nicht Vollkommenheit, nicht Glück, nicht den höchsten Zustand der Seele.

24. Darum laß das Shastra deine Autorität sein, die darüber entscheidet, was getan und was nicht getan werden soll! Im Wissen um das, was durch die Gebote des Shastras verkündet worden ist, solltest du in dieser Welt dein Werk verrichten.