200 Seiten, 15 EUR

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Das Leben ohne Tod


Dokumentiert anhand zahlreicher Zitate von Sri Aurobindo, Mutter und Satprem die praktischen Schritte vom gegenwärtigen "Leben im Tod" in das endlich von seiner sterblichen Wurzel befreite Leben ohne Tod. Dabei geht es um keine wundersame Verjüngung, sondern um eine natürliche Plastizität, welche eine immerwährende Weiterentwicklung gestattet, ohne erstarrte Formen durch den Tod brechen zu müssen.


Einleitung:

Der Welt steht eine Änderung bevor - aber vielleicht nicht jene, die wir uns denken. Eigentlich ist die Änderung irgendwo schon geschehen. Wir müssen sie nur noch zur vollen Entfaltung bringen, vor aller Augen. Dieses kurze Buch möchte versuchen, die besonderen Umstände dieser Änderung zu erklären, wie sie sich vollziehen kann und schon vollzieht. Es will keine Methoden, keine Rezepte und keine Spekulationen über das Aussehen der Welt von morgen geben, sondern bestimmte menschliche Aussagen, die jeder anwenden kann, wie er es für gut hält.

Die Änderung, um die es hier geht, ist nicht "äußerlich", mechanisch oder wissenschaftlich, sondern "innerlich" und menschlich. Schließlich muß die menschliche Welt sich ändern - oder vielleicht nur unsere Art, sie zu sehen, zu fühlen und auf sie einzuwirken. Es geht darum, eine andere Lebensweise auf der Erde zu verwirklichen, ein Wesen nach dem Menschen, das sich so drastisch von uns unterscheidet wie wir von unserem Vorfahren, dem Affen. Wenn ein solches Wesen auf der Erde erscheinen soll, wird die Weisheit und Einfachheit der Evolution es aus uns entstehen lassen, aus dem, was wir heute sind, und nicht aus irgendeinem verschwommenen mystischen Himmel oder einer Flut von Computern - es muß ein Bindeglied zwischen ihm und uns geben. Wenn wir ohne menschliche Selbstgefälligkeit, sozusagen mit wissenschaftlicher Ehrlichkeit beobachten und studieren, was wir sind, müßten wir demnach fähig sein, in uns selbst einen Schlüssel zu finden, ein Mittel, diesen Übergang zu vollziehen oder wenigstens einige Schritte auf dem Weg in die Zukunft der Spezies zu tun.

Dieses großartige Abenteuer in die unbekannte Zukunft wurde vor mehr als 70 Jahren von Sri Aurobindo begonnen. Methodisch, sich selbst als Gegenstand des Experiments nehmend, durchdrang er nach und nach die Stufen seines Wesens, seiner eigenen menschlichen Substanz - das, was "uns selbst" ausmacht, so einfach und natürlich, daß wir uns nie wirklich damit beschäftigen. Sri Aurobindo hat sich ausführlich damit beschäftigt, hat ausführlich beobachtet, Feststellungen gemacht, ist noch tiefer gedrungen, bis zur äußersten Grenze, zur materiellen Grundlage des Körpers, zu dem, was die Zellen belebt - um zu verstehen, wie ein Mensch wirklich funktioniert. Tag und Nacht, über Jahre und Jahre hinweg habe ich experimentiert, gewissenhafter als ein Wissenschaftler seine Theorien und Methoden auf der physischen Ebene prüft, erklärte er später. Was bewegt die menschlichen Zellen? Später folgte ihm Mutter, seine Gefährtin, auch dorthin. Auch sie stieg hinab in diesen gefährlichen und ungewohnten Bereich, in dem die Geheimnisse der Funktionsweise des menschlichen Körpers verborgen sind. In diesem "Abstieg" liegt die ganze Schwierigkeit, aber auch das Zugangsmittel, das wir suchen. Ihre Beobachtungen und Entdeckungen sind von äußerstem Interesse für jeden, den die Zukunft interessiert. Sie haben in der Tat das Bindeglied, die Brücke in uns gefunden, die das Tor zum nächsten Wesen öffnen kann. Aber leider Gottes ist der Mensch so beschaffen, daß er hauptsächlich Formeln und "Tricks" zur Verbesserung des Alltäglichen sucht. Die Gruppe von Schülern, die Sri Aurobindo um sich gesammelt hatte, um zu versuchen, die Früchte seiner Entdeckungen auf andere Menschen zu übertragen, fand es bequemer, einen Gott aus ihm zu machen, und später, nach seinem Hinscheiden 1950, unterzogen sie Mutter der gleichen Behandlung. Warum wollen die Menschen immer vergöttern! empörte sich Mutter. Es ist viel besser, zu werden als zu vergöttern. Nur aus Faulheit vergöttert man. Niemand um Mutter und Sri Aurobindo erkannte wirklich, daß ihre Entdeckungen im menschlichen Körperbewußtsein der Schlüssel zu einer tatsächlichen Änderung in einen anderen Zustand waren; es bedeutete natürlich, sich selbst in Frage zu stellen, zu akzeptieren, eine unbequeme alte Haut zu verlassen, um eine andere zu finden, die man noch nicht kannte - man kann nicht ernsthaft hoffen, ins Neue vorzustoßen, während man sich noch vorsichtig ans Alte klammert. Anstatt Sri Aurobindos fabelhafte Entdeckungen als evolutionäres Ferment auf sich selbst anzuwenden, fand man es zweifelsohne angenehmer, sie ihres universellen Gehalts zu entleeren, um sie auf die Dimension eines menschlichen Dogmas zu stutzen und sein Glück damit zu versuchen, die Grundlage einer neuen Religion daraus zu machen.

Glücklicherweise wachte eine Gnade, die nicht wollte, daß es so geschieht: Nein, wir brauchen keine neue Religion, sondern müssen wirklich unserem gegenwärtigen menschlichen Leben einen Sinn geben, auf der ganzen Welt; wissen, wo wir stehen und wohin wir gehen. Wir brauchen nicht mehr Weihrauch, sondern mehr Weisheit. Wenn wir das wahre Tor der Zukunft auch nur einen Spalt öffnen könnten, würde es die Gegenwart auf einzigartige Weise erleichtern; wir würden vielleicht endlich verstehen, was wir leben, und den Sinn des beunruhigenden Chaos erkennen, welches das derzeitige Leben auf der Erde zu beherrschen scheint.

So kam es, durch reines Glück, daß Mutter einen Menschen finden konnte, der sie verstand, der erkannte, was sie für die Spezies tun wollte. "Verstehen" bedeutete in diesem Fall, nicht nur die Idee einer irdischen Transformation im Prinzip zu akzeptieren, nicht nur ein persönliches Ideal daraus zu machen, das man wie eine Krawatte trägt, so wie es die Schüler taten; verstehen bedeutete, das erste Beben von etwas Neuem im eigenen Fleisch zu fühlen; es bedeutete, und das ist beängstigend, den Blick auf die eigenen Tiefen zu richten, die nicht immer schön und "göttlich" sind; es bedeutete, in jeder Minute der vierundzwanzig Stunden eine solide und konkrete Gegenwart aufzugeben, um für eine vage und rätselhafte Zukunft Platz zu machen - es bedeutete, sich allem gesunden Menschenverstand zu widersetzen. Dazu muß man etwas verrückt sein oder von Liebe motiviert. Viele Jahre später erzählte Mutter Satprem: Als ich dich sah, war es wie weißt du, etwas, das mir sagte: "Der da." Bei Mutter bedurfte es nie vieler Worte und Erklärungen, sie interessierten vor allem die Tatsachen.

Wie dem auch sei, daß es einen Menschen in dieser zweifelhaften Masse von Männern und Frauen in Mutters Gefolge gab, der sie verstand und der akzeptierte, mit ihr ins Abenteuer vorzudringen, hat einen unschätzbaren Wert für uns, die mit der menschlichen Last auf den Armen verbleiben. Niemand kann behaupten, es sei leicht, diese Last zu tragen oder auch nur über sie zu berichten. Vielleicht können die Geheimnisse, die Mutter auf dem Grund der Zellen ihres Körpers entdeckte, uns in unserem täglichen Leben helfen, vielleicht sogar im kollektiven Leben unseres Planeten? Irgendwo mußten diese Geheimnisse nach Mutters Weggehen 1973 leben, irgendwo wirksam bleiben - anstatt nutzlos in neuen Gesetzestafeln niedergelegt zu werden -, ein Mensch mußte sein Herz und sein Fleisch öffnen, um die kleine Flamme lebendig zu erhalten wie damals in den prähistorischen Höhlen: Es bedurfte eines menschlichen Körpers, um dieses Feuer zu bergen. Nun, wir können uns freuen, das Feuer brennt noch auf diesem Planeten - nichts ist verloren. Daß dieser Mensch einen legalen Stand haben mag, in Frankreich geboren wurde (wie Mutter) und westliche Kleidung tragen mag oder nicht, ist relativ unwesentlich - die folgenden Seiten werden das genügend zeigen. Wenn es ihm gelingt, die Geheimnisse, die ihn bewegen, mit seinen Menschenbrüdern zu teilen, wird sich das Gesicht der Erde ändern, es wird eine ganz neue Erde werden oder vielleicht einfach die Befreiung der alten. Aber das hängt auch ein wenig von uns ab.

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Wiederholen wir nochmals, daß es keine fix und fertigen Formeln und Rezepte geben kann, wenn es um das geht, was das menschliche Leben auf Erden bewegt. Jedes Leben ist verschieden und einzigartig - und das ist gut so. Die folgenden Texte schildern die außerordentliche Erfahrung, die Sri Aurobindo begann, die Mutter fortsetzte und erweiterte und die ein Menschenbruder namens Satprem verkörpert. Diese Texte geben nicht vor, alle menschliche Wahrheit ein für allemal erfaßt zu haben; die gewählten Begriffe und Worte könnten vollkommen andere sein, ohne irgend etwas an der Erfahrung zu ändern. Worauf es ankommt, ist die Erfahrung selbst und die Kraft, die in ihr liegt, das Leben auf der Erde zu verändern. Es kann also jeder nach eigenem Gutdünken in diesen Texten schöpfen - und vielleicht einen Leitfaden für sein Leben finden. Schließlich sind die Zellen eines jeden Menschen von identischer Beschaffenheit; sie verbinden den römisch-katholischen Bauern der Pyrenäen mit dem Hindu-Intellektuellen aus Benares, ob beide es nun wissen oder nicht; und da, wo wir nicht immer dieselbe Sprache sprechen, würden sich unsere Zellen vielleicht viel leichter und einfacher zurechtfinden als unser höherer Verstand. Es ist auch möglich, daß ähnliche Erfahrungen an anderen Punkten der Erde, in anderen Breiten und in anderen Sprachen stattfinden, denn, wie wir sehen werden, geht es nicht so sehr darum, an dieses oder jenes zu "glauben", sondern zu RUFEN.

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Fügen wir noch einige Worte zur Begründung der Motivation dessen, der diese Zeilen schreibt, hinzu. Langjähriger Freund von Satprem, dessen Kampf nach Mutters Weggehen er sich anschloß, gab er einen wissenschaftlichen Beruf auf, um sich in den Dienst einer anderen "Wissenschaft" zu stellen, die mehr Einfluß auf das Leben hat und mit den tieferen Gründen der Evolution verbunden ist, anstatt ewig mit Gleichungen zu jonglieren (von denen manche immerhin das Gewicht einer makabren und "explosiven" Verantwortung tragen). Wir haben keine Zeit mehr, mit Gleichungen zu spielen. Die Welt wird gerettet werden, indem man zur Wurzel des Schreckens der Welt hinabdringt, nicht durch ein paar mehr "Integral-" oder "Differentialgleichungen".

Hier wollen wir den Leser deshalb zu einer anderen Art von Entwicklung führen. Eine Entwicklung, die zu einer menschlichen Lösung der uns befallenden Krisen führt - die aber darum nicht weniger "streng" und "wissenschaftlich" objektiv sein wird, heißt es doch, die vornehmste Eigenschaft des wissenschaftlichen Geistes sei die Ehrlichkeit.