18. April 1961

(Über die Frage der "Vorherbestimmung": ist alles bereits "oben" entschieden und wird hier nur mechanisch ausgeführt?)

Gestern oder vorgestern fiel mir ein Text von Sri Aurobindo unter die Augen. Das stellt ein ziemlich bedeutendes Problem vom okkulten Gesichtspunkt, und ich hätte gerne etwas mehr Klarheit über diese Frage: M"The man who slays is only an occasion, the instrument by which the thing done behind the veil becomes the thing done on this side of it." ["Der Mensch, der tötet, ist nur ein Anlaß, das Instrument, durch welches die Tat, die hinter dem Schleier bereits vollendet ist, auf dieser Seite desselben ausgeführt wird." - The Ideal of the Karmayogin]
Das bedeutet genau folgendes (ich gehe zum vorherigen Satz zurück): Der, den Gott bereits tötete, wer kann ihn beschützen? ["Wer kann den töten, den Gott schützt? Wer kann den schützen, den Gott tötete?" The Ideal of the Karmayogin, S. 354.] Er wurde bereits von Gott getötet. Das heißt, wenn Gott entschieden hat, daß jemand getötet werden soll, kann nichts dies verhindern und ihn beschützen. Und Sri Aurobindo fügt hinzu: der Mensch, der tötet (denn Gott tötet nicht direkt, er bedient sich des Menschen zur Ausführung), ist nur der Anlaß, dessen Gott sich bedient, um zu töten - er ist das Instrument, durch welches die von Gott hinter dem Schleier entschiedene Sache hier materiell ausgeführt wird.

Dies sind philosophische Texte aus der Revolutionszeit. Es war in Bezug auf die Attentate, als sie Bomben auf die Engländer warfen. Und er sagt: jenen, den Gott beschützt, kann niemals jemand berühren, ihr könnt es versuchen, soviel ihr wollt, ihr werdet ihn nicht umbringen. Aber der, den Gott bereits getötet hat, wer kann verhindern, daß er getötet wird? Er wurde bereits von Gott getötet. Und der Mensch ist nur das Instrument, dessen Gott sich bedient, damit das, was dort ausgeführt wurde (es wurde BEREITS ausgeführt), hier getan wird. Das ist sehr einfach.

Ja, das verstehe ich gut, aber heißt das, daß im allgemeinen alles irgendwie schon auf der anderen Seite entschieden wurde und es danach hier abläuft? Das ist ein okkultes Problem, und dann das Problem der Freiheit.
Meiner Erfahrung nach sind beide Dinge sozusagen simultan. Wir sind es, die den Begriff der Zeit einführen, aber auf der anderen Seite existiert der Zeitbegriff nicht.

Wenn man mich zum Beispiel fragte, wie lange es dauert, bis eine dort entschiedene Sache hier verwirklicht wird, würde ich antworten, daß es völlig unbestimmt ist. Das ist meine Erfahrung. Ich gebe immer dieses Beispiel, weil es so deutlich ist: ich sah das freie Indien, fünfunddreißig Jahre bevor es befreit wurde. Es war bereits getan. Ich sah aber auch Dinge, die für uns fast augenblicklich sind: etwas wird dort entschieden, und es verwirklicht sich fast augenblicklich hier. Zwischen den beiden Extremen gibt es alle Möglichkeiten, denn der Zeitbegriff ist überhaupt nicht derselbe, und deshalb kann man es nicht einschätzen. Es ist sehr angenehm zu sagen: was Sie dort sehen, wird hier in einem Jahr geschehen, oder in acht Tagen, in einer Stunde - das ist völlig unmöglich. Das hängt von den Fällen ab und von bestimmten Faktoren, die Teil der Gesamtheit der Sache sind.

In einem Kapitel in The Synthesis of Yoga sagt Sri Aurobindo, daß es einen bestimmten Bewußtseinszustand gibt, in dem alles seit aller Ewigkeit besteht - alles, alles, was sich hier manifestieren wird

In seinen Einzelheiten?
In einem bestimmten Bewußtseinszustand (ich weiß nicht mehr, wie er ihn nennt, ich glaube es ist im "Yoga der Selbst-Vervollkommnung") da ist man vollkommen mit dem Höchsten vereinigt (nicht in seinem statischen sondern in seinem dynamischen Zustand, das heißt im Werden), und in diesem Zustand besteht alles bereits seit aller Ewigkeit. Dennoch gibt es uns hier den Eindruck des Werdens - aber dort ist es schon. Und Sri Aurobindo sagt, wenn man fähig ist, diesen Zustand zu bewahren, [Satprem hatte angenommen, dieser Bewußtseinszustand wäre nur in einer Art Trance oder Samadhi zugänglich, und daß Mutter mit "bewahren" ausdrücken wollte, daß man ihn hier in das wache Bewußtsein zurückbringen müsse. Mutter berichtigte: "Das ist ein Zustand, in dem es kein "hier" oder "dort" gibt. Ich hatte diese Erfahrung im wachenden Bewußtsein, und beide Wahrnehmungen waren gleichzeitig (die wahre und die falsche)."] dann weiß man alles: alles was war, alles was ist, alles was sein wird, absolut gleichzeitig.

Aber man muß einen soliden Kopf haben! Beim Lesen mancher dieser Kapitel der "Selbst-Vervollkommnung" dachte ich, es wäre besser, das fällt nicht in die Hände aller Leute.

Dort verschwindet jeglicher Eindruck von Ungewißheit (er erklärt das auch sehr gut).

Wir denken, WEIL wir dies tun, geschieht jenes (und wie häufig! die ganze Zeit wird geschrieben, gesagt: tut dies, dann wird jenes geschehen), aber die Tatsache, daß der eine dies sagt und der andere es tut, war auch absolut vorherbestimmt.

Wenn es uns gelänge, das zu verstehen, würde der Kopf wahrscheinlich ins Schwimmen geraten.

Es kann absolut nichts an dem ändern, was ist. Diese Erfahrung hatte ich sehr deutlich: die Absolutheit von allem, was materiell besteht, und alles, was wir zu tun glauben oder zu tun hoffen, kann absolut nichts daran ändern. Aber ich war sehr angespannt, um zu verstehen, was der Unterschied zwischen dem wahren und dem lügenhaften Zustand wäre, WEIL MATERIELL ALLES GENAU SO IST, WIE ES SEIN SOLL (wir glauben, die Dinge wären so oder so wegen bestimmten Reaktionen, aber unsere Reaktionen selber sind ebenso absolut vorherbestimmt wie die betroffene Sache). Und dennoch

Ich hatte diese Erfahrung, sie dauerte sogar mehrere Tage, ich erinnere mich: ich sah alle materiellen Umstände wie eine Absolutheit - eine Absolutheit, die wir wie einen Ablauf sehen, aber sie ist eine ewig bestehende Absolutheit. Diese Erfahrung hatte ich. Gleichzeitig hatte ich die sehr deutliche Wahrnehmung dessen, was die Falschheit, die Lüge war (was Sri Aurobindo vom Sanskrit übersetzt crookedness [Wörtlich: das, was verdreht ist. Die Rishis unterschieden zwischen dem "geraden" Bewußtsein (fast im optischen Sinne: das die Strahlen gerade durchläßt) und dem verdrehten.] nennt), auf der psychologischen, mentalen Ebene. Wir schreiben den Ablauf der Umstände bestimmten psychologischen Reaktionen zu - und in der Tat, weil alles bewußt oder unbewußt zusammenarbeitet, werden sie vorübergehend verwendet, damit die Dinge so werden, wie sie sein müssen -, aber die Dinge könnten auch ohne Eingreifen dieser Lüge so werden, wie sie sein müssen. Einige Tage lebte ich in diesem Bewußtsein, und da war sichtbar, was die Lüge von der Wahrheit trennte. In diesem Zustand von Bewußtseins-Wissen war man fähig, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Und in der Wahrheit betrachtet, verändern die materiellen Umstände ihre Beschaffenheit.

Jetzt habe ich die Erfahrung nicht mehr, sie ist nur noch eine Erinnerung, deshalb kann ich es nicht genau beschreiben. Was aber sehr klar war, und was äußerst häufig kommt, ist die Wahrnehmung einer Überlagerung von Lüge über einer wirklichen Tatsache (das bringt uns zurück zu dem, was ich dir neulich sagte [Agenda I, 31.12.1960.], daß alles in seiner Wahrheit sehr einfach ist und nur das menschliche Bewußtsein all die Komplikationen verursacht). Aber hier war es noch umfassender.

Das ist sehr interessant in Bezug auf den Tod. Ich sah es so deutlich im Augenblick, wo jemand seinen Körper verließ (ich erinnere mich nicht mehr, wer es war). Da erschien das Wort "Tod" und all die menschlichen Reaktionen so verrückt! So völlig sinnlos, unwissend, dumm - lügenhaft, ohne Realität. Es war einfach etwas, das sich bewegt (Mutter zeichnet eine Kurve zur Andeutung einer Verlagerung des Bewußtseins von einer Seinsart in eine andere), und nur wir, in unserem lügenhaften Bewußtsein, machten ein Drama daraus - es ist einfach etwas, das seiner Evolution folgt (selbe Geste).

Offensichtlich könnte man sich fragen, wenn alles schon dort oben geschehen ist, auf der okkulten Ebene, was ist dann der Sinn dieser Sache hier? Wenn alles schon vollendet ist und wir es einfach nur wiederholen.
Nein, nein!

Wir sind wie Marionetten!
Aber nein! Das ist gerade unsere Lüge! Was wir sehen, ist nicht DIE SACHE, sondern eine Spiegelung, ein entstelltes Bild in unserem Bewußtsein. Doch die Sache existiert unabhängig von dieser Spiegelung, und so, wie sie existiert, hat sie nicht die Beschaffenheit, die wir ihr zuschreiben. Wenn es einem gelingt, das zu erfassen, dann versteht man, wie man das lösen kann. Sonst kann man es nicht lösen!

Es gibt eine universelle Entfaltung, das ist die wahre Entfaltung: der höchste Herr, der sich selbst betrachtet (das ist die beste Art, es auszudrücken), der sich entfaltet. Aber aus irgendeinem Grund kam es zu einer Entstellung im Bewußtsein, durch die wir dieses Entfalten als etwas Getrenntes betrachten, das ein mehr oder weniger adäquater Ausdruck des göttlichen Willens ist. Aber das ist nicht so! Es ist das Entfalten des Göttlichen in sich selbst - in sich selbst, von sich selbst, für sich selbst. Und nur unsere Lüge macht etwas Getrenntes daraus Bereits die Tatsache der Objektivierung (was WIR "Objektivierung" nennen) ist eine Lüge. [Als Satprem bemerkte, dieser Satz könnte in einer "illusionistischen" Bedeutung verstanden werden (im Sinne, daß die Objektivierung der materiellen Welt eine Lüge wäre), antwortete Mutter: "Nein, die Objektivierung ist keine Lüge, sondern unsere Auffassung der Objektivierung als etwas Getrenntem von DEM. Wenn wir sagen: "Er objektiviert sich", dann denken wir etwas, das nicht die Wahrheit ist - das nicht mehr die Wahrheit ist."]

Ich hatte dieses Bewußtsein in blitzartigen Augenblicken. Die Schwierigkeit besteht darin, daß wir, um sie zu beschreiben, all unsere mentalen Mittel verwenden, die selber lügenhaft sind - wir sind cornered [in der Klemme]. Verfolgt man es nämlich bis ans Ende Alles, was man sagt: "Wenn es so ist, wenn dies, wenn jenes", all das ist Teil unserer allgemeinen Idiotie. Und wenn man bis ans Ende geht, dann ist man plötzlich so: ah! [man kann nichts mehr darüber sagen], es gibt nichts mehr zu tun, keine Bewegungen mehr zu machen.

Nur, wie gesagt, vom praktischen Standpunkt kann diese Erfahrung gefährlich sein. Als ich sie hatte, erlebte ein Teil von mir die Erfahrung und ein anderer Teil war noch nicht bereit für sie. Ich war wach genug, um mir zu sagen: "Der Teil, der die Erfahrung hat, überwiegt genügend im Wesen, daß alles ruhig bleibt, aber wenn die Vorbereitung unzureichend wäre, könnte es eine Unausgewogenheit verursachen." Wenn jemand unglücklicherweise fähig wäre, etwas davon zu erwischen, ohne genügend stark zu sein, dann würde er den Kopf verlieren.

Das machte mir klar (ich sah es deutlich), daß manche Dinge den einen erleuchten können, während sie andere völlig verrückt machen, sie völlig ihres Gleichgewichts beraubt. Du wirst mir sagen: das ist, weil sie verrückt werden mußten! - Das ist offensichtlich.

Selbst wenn man es absolut setzt, bleiben die Beziehungen dieselben. [Später erläuterte Mutter diesen Satz folgendermaßen: "Wir halten immer einen Teil von uns zurück, der zuschaut und beobachtet; aber wenn man fähig ist, alles ohne Ausnahme teilnehmen zu lassen, dann bleiben alle Beziehungen dieselben - diese Erfahrung hatte ich.

Bleiben dieselben?

Dieselben, wie wir haben, aber ohne die Lüge. Zur Illustration gibt es diese bekannte Geschichte des Mannes, der sich weigert, dem Elefanten aus dem Weg zu gehen, unter dem Vorwand, er wäre Brahman und Brahman sage ihm zu bleiben. Worauf der Elefantenführer erwidert: "Aber mir sagt Brahman, daß Sie weggehen sollen, um den Elefanten Brahman vorbeizulassen." In kindlicher Weise vereinfacht ist dies dasselbe. Das ist, weil wir auf die eine Weise schauen, ohne gleichzeitig auf die andere zu sehen, und überhaupt, weil wir nicht ALLES zugleich sehen. Von der Minute, wo wir in unserer Wahrnehmung umfassend sein können, wären alle Beziehungen dieselben, doch anstatt in einem Zustand der Unwissenheit zu sein, hätten wir sie im Wissen.

"Wären dieselben", heißt das, sie wären physisch dieselben wie jetzt, aber mit einer anderen Sichtweise?

So ist es. Ich weiß nicht, ob es je gelingen wird, sich mit diesen Worten auszudrücken! Wir brauchen eine andere Sprache!" Der erste Impuls ist zu sagen: was nützt es dann, irgend etwas zu tun? - Pardon! Die eigentliche Tatsache, daß ihr etwas tun wolltet, ist Teil des allgemeinen Determinismus. Nur weil wir immer etwas zurückhalten, weil wir es nicht in seiner Gesamtheit zulassen, sonst Es gibt keinen Ausweg, es ist einfach so.

Sri Aurobindo erklärt das auf so vollständige, umfassende, gebündelte Weise, daß man erkennt, es gibt nicht den geringsten Winkel, durch den man entwischen könnte. Diese Unfähigkeit oder angebliche Unfähigkeit, aus seiner Trennung herauszukommen, wird dann zu etwas Falschem.

Man muß einen soliden Kopf haben. Man muß sich stets auf DAS beziehen können (Geste nach oben), und das Schweigen (Mutter berührt ihre Stirn): Frieden-Frieden-Frieden, alles anhalten, alles anhalten. Bloß nicht versuchen zu verstehen! Oh! Es gibt nichts gefährlicheres, als zu verstehen versuchen - wir versuchen, mit einem Instrument zu verstehen, das nicht zum Verstehen geeignet ist, das unfähig ist zu verstehen.

Für deine Frage ist es jedenfalls sehr einfach, wir brauchen nicht zu solchen Extremen gehen!

Nein, ich stellte mir diese Frage nicht vom metaphysischen Standpunkt, sondern auf der okkulten Ebene Als würde das Spiel im Okkulten gespielt und wir führen es materiell aus.
Für uns erscheint es so.

Es erscheint so heißt das, Er selber spielt in sich selber?
Das ist eine andere Art, es auszudrücken!

(Schweigen)

Einmal versuchte ich, das auf dem Sportplatz zu erklären, an einem Tag, als ich mich in Gegenwart desselben Problems befand: was IST wirklich? Und es ist völlig offensichtlich, daß es unmöglich ist, mit dem Mental zu verstehen. Aber ich hatte eine Vision von einer Art unendlichen Ewigkeit, in der das Bewußtsein reist [Entretien vom 5.2.1958, die "große Reise des Höchsten".], und den Weg dieses Bewußtseins nennen wir "die Manifestation". Diese Vision erklärte die absolute Freiheit - sie erklärte, daß beide Dinge absolut zusammen bestehen können: die absolute Freiheit und der absolute Determinismus. Das Bild meiner Vision war eine ewige Unendlichkeit, in der das Bewußtsein wandert - man kann nicht einmal sagen, "frei wandert", denn "frei" würde implizieren, daß es anders sein könnte.

All jene, die die Erfahrung hatten, sagen, die erste Bewegung der Manifestation oder der Schöpfung (Schöpfung, Manifestation, Objektivierung: alle Worte sind unvollkommen), die erste Bewegung war CHIT, das heißt, Bewußtsein, welches Macht wird. Folglich ist es Bewußtsein, das im SAT wandert, im Sein - statisch, ewig, unendlich, und zwangsläufig ohne Raum und ohne Zeit. Diese Bewegung des Bewußtseins läßt in der Unendlichkeit Zeit und Raum entstehen. [Wieder überschneidet sich Mutters Erfahrung mit der modernen Physik, die zu entdecken beginnt, daß Raum und Zeit keine festen und unabhängigen Größen sind, wie wir es seit den Griechen und bis Newton gewohnt waren zu glauben, sondern ein vierdimensionales System (3 Raumkoordinaten + Zeit), abhängig von den physischen Ereignissen, die sich darin entwickeln.] Derart ist die Beschaffenheit des "Riemann Raumes", dessen Einstein sich in seiner allgemeinen Relativitätstheorie bedient. So ist eine Flugbahn (also eine im Prinzip feststehende Entfernung) abhängig von der benötigten Zeit der Durchquerung: es gibt keine eindeutige gerade Linie zwischen zwei Punkten, oder die "gerade" Linie hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der man sie durchläuft. Es gibt keine "fixe" Menge von Raum, sondern Geschwindigkeiten, die ihren eigenen Raum festlegen (oder ihr eigenes Maß des Raumes). Raum-Zeit ist folglich keine feste Größe mehr, sondern, sagt die Wissenschaft, das Produkt von was? - Von einer bestimmten Geschwindigkeit der Abläufe? Aber was läuft ab? Die Rakete, ein Zug, die Muskeln? Oder ein gewissen Hirn, das immer perfektioniertere Instrumente ausklügelt, die seiner eigenen Seinsweise angepaßt sind, wie ein fliegender Fisch, der immer weiter (schneller) fliegen kann, aber immer schließlich wieder in sein eigenes aquatisches Goldfischglas zurückfällt? Doch was wäre dieses Raum-Zeit-Gefüge für eine andere Art Fischglas oder einen anderen Bewußtseinsmodus: das supramentale Bewußtsein zum Beispiel, das sich augenblicklich in jedem beliebigen Punkt des "Raumes" befinden kann - es gibt keinen Raum mehr, keine Zeit mehr! Es gibt keine "Flugbahn" mehr: die Flugbahn ist in sich selbst enthalten. Das Goldfischglas wurde durchbrochen, wie alle die aufeinanderfolgenden kleinen Glaswände der Evolution. Wie Mutter sagt, Raum und Zeit sind ein "Produkt der Bewegung des Bewußtseins". Eine Raum-Zeit-Variable, die sich nicht nur in Funktion unserer mechanischen Mittel verändert, sondern entsprechend dem Bewußtsein, das die mechanischen Mittel benützt und das schließlich nur noch sich selbst benützt: am Ende der evolutionäre Kurve ist das Bewußtsein sein eigenes Mittel und die einzige Mechanik des Universums geworden. Und dort versteht man, daß es zugleich absolut frei und absolut determiniert sein kann.

Ich hatte diese Vision. Für jemand anderen ist sie wertlos, aber mir gab sie eine Art Befriedigung, einen Frieden (vorübergehend).

(langes Schweigen)

Ich lese weiter im Veda. Ich sehe, wie schön das ist und wie wirksam das für diese Leute gewesen sein muß, welche Verwirklichungsmacht diese Hymnen haben mußten! Aber für mich

Dennoch stand ich während einer Zeit in Beziehung mit all diesen Göttern und Dingen, und das hatte eine völlig konkrete Wirklichkeit für mich. Aber jetzt Ich lese und verstehe, aber ich kann es nicht leben. Ich weiß nicht warum. Es löste noch nicht die Erfahrung aus. Für mich ist die Erfahrung - die konstante, totale, permanente Erfahrung -, daß es gibt nur den Höchsten. Die alleinige Existenz des Höchsten, allein der Höchste existiert. Da erzählen sie von Agni, Varuna, Indra Ich empfinde das nicht. (Was der Veda aber zum Beispiel sehr gut erreicht, ist, euch die Erkenntnis eurer Schwäche, eurer Unfähigkeit, unseres beklagenswerten gegenwärtigen Zustands zu geben, das macht er bestens!) Und gestern war es die Inbrunst der Flamme - alles zu verbrennen, um alles aufzuopfern. Es war absolut konkret, mit einer Intensität der Vibrationen: ich sah die Vibrationen. Alle Bewegungen der Düsternis, der Unwissenheit wurden dort hineingestürzt. Ich erinnere mich, es gab eine Zeit, als ich diese Hymnen an Agni mit Sri Aurobindo übersetzte, da besaß Agni eine Realität für mich - gestern war es das nicht, es war nicht der Gott Agni, sondern es war ein ZUSTAND. Ein Zustand des Höchsten. Auf diese Weise war es nah, deutlich, intensiv, vibrierend, lebendig.

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Aus Mutters Agenda, Band 2, © 1992 Institut für Evolutionsforschung.